„Haltet den Dieb!“

Angriff ist die beste Verteidigung. So, oder so ähnlich, scheint die US-amerikanische Regierung in der NSA/Snowden-Affäre zu denken.

Die Tatsachen, soweit sie den Medien zu entnehmen sind: Die NSA, ein US-Geheimdienst, überwacht seit Jahren den weltweiten Telekommunikationsverkehr, auch in Europa – selbstverständlich ohne die in europäischen Rechtsstaaten üblichen gerichtlichen Genehmigungen. Das könnte man jetzt noch abtun als notwendiges Übel, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. (Es wird ja auch immer wieder behauptet, dass durch diese Maßnahme tatsächlich Terrorakte verhindert werden konnten. Der Wahrheitsbeweis steht allerdings noch aus, da natürlich alles strengster Geheimhaltung unterliegt…)

Der Aufschrei der europäischen Politiker ist nicht sehr glaubwürdig, da es einige Indizien dafür gibt, dass ihnen diese Aktivitäten der USA bekannt waren und dass so mancher europäische Geheimdienst auch von dieser Überwachung profitiert hat.

Eine ganz neue Qualität hat die Affäre allerdings durch die von Edward Snowden jetzt bekannt gemachte Tatsache erreicht, dass auch ganz gezielt Einrichtungen der EU und der EU-Regierungen abgehört wurden. Hier geht es nicht mehr um eine allgemeine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, um Terrorverdächtigen auf die Spur zu kommen. Hier geht es nicht mehr um das Filtern von Emails und Telefongesprächen, von denen jeder weiß, dass sie nie vollkommen sicher sein können. Hier geht es um politische und vor allem wirtschaftliche Spionage mithilfe von ausgefeilter Überwachungstechnik gegen Verbündete – oder solche, die sich bisher dafür gehalten haben.

Dies ist ein Rückschritt in Richtung kalter Krieg, den man sich von einer Bush-Administration erwartet hätte, aber nicht von Obama. Man wird sich fragen müssen, ob Obama noch Herr im eigenen Haus ist. Oder ob er gar nicht der Vorzeigedemokrat ist, der er vorgibt zu sein.

Die „Haltet den (Daten-)Dieb“-Rufe aus dem Weißen Haus können nicht davon ablenken, dass hier die USA am Pranger stehen, und nicht derjenige, der diesen Missstand aufgedeckt hat.

Der amerikanische „War on terrorism“ hat sich nunmehr als das entpuppt, was er schon lange ist: ein „war on European economy and politics“, mit dem sich die USA vor dem Abgleiten in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit retten wollen.

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Und allen Befürwortern von Überwachungsmaßnahmen zur Terrorbekämpfung sei noch ein Ausspruch von Benjamin Franklin ins Stammbuch geschrieben: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“