Wahlrecht für alle?

In der Tageszeitung „Der Standard“, die laut Eigen- und auch Fremddefinition zu den Qualitätsmedien Österreichs zählt, wurde am 7.7.2019 ein inhaltlich sehr fragwürdiger doppelseitiger Artikel publiziert, in dem sich die Autoren und die befragten Experten positiv zu einer Ausdehnung des Wahlrechts auf längerfristig in Österreich lebende Ausländer äusserten. Als ein Hauptargument für diese von ihnen vorgeschlagene Wahlrechtsänderung für die Nationalratswahlen führten sie an, dass sich immerhin über 1 Million Ausländer länger als 6 bis 10 Jahre im Lande aufhalten und diese Leute somit eine im Parlament nicht repräsentierte Bevölkerungsgruppe darstellen würden.

Meinungsfreiheit und Redlichkeit

Diese Meinung kann man natürlich haben. Aber man sollte dann immer auch dazu sagen, dass das Wahlrecht ein ganz exklusives und den Staat konstituierendes, geradezu fundamentales rechtliches Instrument ist, weil ja davon die Existenz und Funktionstüchtigkeit jeder Nation abhängt. Anders gesagt: Jede Staatsbürgerschaft ist notwendigerweise immer auch Ausschluss – nämlich von jenen, die keine Staatsbürger sind. Und das betrifft eben zuvorderst den Ausschluss vom Recht, zu wählen.

Wenn man das Wahlrecht nun all jenen zumessen möchte, die mehr oder weniger zufällig aus welchen Gründen auch immer eine Zeitlang im Lande leben, dann ist es eine intellektuelle Unredlichkeit, die wesenhafte Bedeutung des Wahlrechts für die nationale Existenz und den Staat nicht explizit zu erwähnen. Die Autoren haben das unterlassen.

Die drei Elemente des Staates

Warum ist die unauflösliche Verknüpfung der Staatsbürgerschaft mit dem Wahlrecht so wichtig: Der Staat respektive die Nation wird nach dem aus Österreich stammenden berühmten Staatsrechtler Georg Jellinek aus drei Elementen gebildet. Neben den Staatsbürgern, die das Staatsvolk bilden, braucht eine Nation als Existenzbedingung ein definiertes (=begrenztes) Gebiet und eine Staatsgewalt. Wenn nur eines dieser drei Elemente in Frage gestellt bzw. erodiert wird, gerät jede Nation unweigerlich in existenzielle Nöte und ihre Souveränität wird brüchig.

Jedenfalls aber entstehen aus der Schwächung auch nur eines der drei konstitutiven Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgrenzen massive und durchaus bedrohliche Phänomene. Wohin uns etwa geöffnete Grenzen führen, haben wir in haarsträubender Art vor gar nicht allzu langer Zeit feststellen können: Nämlich im sogenannten „Flüchtlingsjahr“ 2015.  Die Nachwirkungen dieses Versagens des Grenzschutzes durch eine damals eklatante Schwäche der Staatsgewalt haben zu massiven politischen Verwerfungen geführt und die hauptbetroffenen Nationen wie Österreich und Deutschland werden die Folgen dieser wahrhaft elementaren Ereignisse noch für Jahrzehnte spüren.  

Verdeckte Agitation

Wer nun unter dem argumentativen Deckmantel  der Modernisierung, der Internationalisierung  und mittels der euphemistischen Bezeichnung von Ausländern als „Bürger“ die Forderung aufstellt, man möge doch über Wahlrechtsreformen nachdenken, die Nicht-Staatsbürgern das essenzielle und grundlegende Wahlrecht von Staatsbürgern zumessen, der tut nichts anderes als subversiv gegen Staat und Nation zu agieren.

Über die Motive solcher Artikel in Qualitätsmedien kann man nur spekulieren: Entweder haben die Autoren ihre Überlegungen nicht zu Ende gedacht oder sie bezwecken mit solchen immerhin doppelseitigen, aber nur halbe Informationen enthaltenden tendenziösen Artikeln eine verdeckte politische Einflussnahme auf ihre Leser. 


Gastkommentar
Prim. em. Dr. Marcus T. Franz
Abgeordneter zum Nationalrat 2013-2017

Dieser Artikel erschien zuerst am 7.7.2019 auf „TheDailyFranz

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