Kultur

Kulturpolitische Position der Freidemokraten

Kulturbegriff

Das Wort Kultur, hergeleitet aus dem lateinischen „colere“ pflegen, Ackerbau treiben, urbar machen verweist auf eine Gemeinsamkeit aller noch so unterschiedlicher zeitgenössischer Kulturbegriffe: Kultur ist, was nicht in der Natur vorgefunden, sondern von Menschen gemacht wird. Die ursprüngliche Bedeutung „Landwirtschaft und Ackerbau betreiben, pflegen, veredeln“ wurde im Lauf der Zeit erweitert auf die Pflege sämtlicher Ausdrucksformen des menschlichen Lebens: Kunst, Wissenschaft, Technik, Ökonomie, Religion, Umgangsformen, Sitte, Brauchtum, Tradition, erlerntes Verhalten, Wertvorstellungen und geistige Lebensäußerungen.

Unter den aktuellen Kulturbegriffen (in der Literatur werden weit über 100 verschiedene Kulturbegriffe definiert) lassen sich vier Hauptströmungen erkennen:

Die normative: Eingrenzung von Kultur auf bestimmte ästhetische Phänomene Objekte und Praktiken, die in einer Gesellschaft hochgeschätzt und durch Traditionsbildung bewahrt werden. Abgrenzung der Hochkultur von der Massen-, Alltags- und Popkultur.

Die sektorale oder differenztheoretische: Erweiterung des normativen Kulturbegriffs auf das Feld der Kunst, der Bildung, der Wissenschaft und sonstiger intellektueller Aktivitäten. Kultur wird gemäß diesem Konzept aufgefaßt als ein bestimmtes Teilsystem der sozial ausdifferenzierten modernen Gesellschaft, das sich auf intellektuelle und ästhetische Weltdeutungen spezialisiert.

Die totalisierende: Die Gesamtheit der Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmuster, Vorstellungen, Werte und Bedeutungen von Kollektiven (Völkern, Gesellschaften) und die Materialisierung in Symbolsystemen. Anerkennung der Verschiedenartigkeit und/oder Gleichwertigkeit von Kulturen und kulturellen Ausdrucksformen, d.h. es wird nicht gewertet oder eingegrenzt. Man spricht von der „Kultur Frankreichs“ oder der „Kultur der USA“. Dieser Kulturbegriff betrifft nicht nur die materialen, z.B. künstlerischen Ausdrucksformen einer Kultur, die „Kulturgüter“, sondern auch die soziale und mentale Dimension, die zur Erzeugung dieser Kultur nötig ist.

Kulturpolitische Aufgaben des Staates.

Welchem Kulturbegriff in einem liberalen Gemeinwesen auch immer der Vorzug gegeben wird, einem restriktiven, der sich ausschließlich auf Hochkultur bezieht, oder einem sehr weit gefassten, der die Mentalität, die Traditionen des Alltagslebens oder die Formen des sozialen Lebens berücksichtigt, so kann unter liberalen Grundannahmen dem Staat nicht die Aufgabe einer Lenkungsfunktion in Fragen der Ästhetik oder gar der Erziehung der Bürger in Hinblick auf erwünschtes Benehmen, Denken oder Wahrnehmen zufallen, also in Fragen, die seit jeher durch nicht gesetzlich gefasste Übereinkünfte der Gesellschaft geregelt werden. Die Aufgabe einer Regierung muss vielmehr auf die Ermöglichung von Rahmenbedingungen beschränkt bleiben, die es den Bürgern erlauben, ihre eigenen Vorstellungen von Kunst und Kultur, von Traditionen, Sitten, Denkformen zu entwickeln und zu realisieren. Aus liberaler Sicht ist die Machtausübung des Staates in Hinblick auf kulturelle Ausdrucksformen, Wahrnehmungsmuster, Empfindungsweisen, oder gar mentale Dimensionen nicht wünschenswert. Dies betrifft sowohl die Produktion von „Kunst und Kultur“ als auch die Alltagskultur.

Eingeschränkt wird die Freiheit der Kultur ausschließlich durch jene gesetzlichen Grenzen, die Leben, Gesundheit und Privateigentum der Bürger schützen.

Die Kulturpolitik der Freidemokraten wird also dem Prinzip der Subsidiarität folgen und nur dort tätig werden, wo der private Sektor (noch) nicht dazu in der Lage ist. Sie wird privates Engagement auf kulturellem Gebiet durch spürbare steuerliche Erleichterungen fördern. Um die Teilnahme möglichst vieler am Kulturleben, an der Wissenschaft, an intellektuellen Diskursen zu ermöglichen, ist eine effiziente Ausbildung in den grundlegenden Kulturtechniken (Alphabetisierung, deutsche Sprache) in den Grundschulen sicherzustellen. Indem die Wichtigkeit der deutschen Sprache betont wird, soll ausdrücklich nicht die Muttersprache von Migranten und deren Kindern abgewertet werden. Deutsch ist aber für eine Teilnahme nicht nur am Kulturleben im engeren Sinn, sondern auch für ein insgesamt selbstbestimmtes Leben, das nicht von staatlichen Institutionen abhängig ist, unerlässlich.

Die freidemokratische Kulturpolitik bewahrt, finanziert und pflegt das kulturelle Erbe, also Kulturgüter der Vergangenheit, Museen, Sammlungen, historische Gebäude, Theater, Pflegestätten der Musik, und bekennt sich zur wissenschaftlichen Forschung auch auf jenen Gebieten, die keinen unmittelbaren materiellen Nutzen stiften, aber das kulturelle Gedächtnis bewahren und jenes Wissen erweitern, das die Gegenwart mit der Vergangenheit verbindet, die also kulturelle Traditionen wach halten bzw. vor der Folie der abendländischen/europäischen Tradition und Identität Österreichs das Verständnis anderer Identitäten fördern.

Für die zeitgenössische Produktion von Kultur, die momentan weitgehend auf Regierungen, Behörden und deren finanzielle Zuwendungen angewiesen ist, ist die Stärkung privater Finanzierungsmöglichkeiten anzustreben, nicht zuletzt, um die unausweichliche staatliche Einflussnahme auf die Kunst- und Kulturproduktion, aber auch auf die Wissenschaft und die Indienstnahme dieser Bereiche durch den Staat zurückzudrängen.

Die staatliche Einflussnahme auf die Kultur war und ist nicht nur in totalitären oder autoritären Staatsformen der Normalfall. Auch in Demokratien werden/wurden von Kulturpolitikern die Kulturressorts ganz offen als Ideologieressorts bezeichnet. Nach freidemokratischem Verständnis ist eine derartige Kulturpolitik mit den Grundsätzen von Freiheit und Vielfalt nicht zu vereinen. Da bei der direkten Förderung die „objektive“ Beurteilung von kulturellen Artefakten, sei es durch Beamte, sei es durch Beiräte, nicht möglich ist und es in der Natur der Sache liegt, dass immer ein subjektives, letztlich nicht objektiv einsichtig begründbares Geschmacksurteil eine Rolle spielen wird, ist diese Form der Förderung oder Finanzierung weitgehend zurückzudrängen und durch steuerliche Begünstigung privater Förderung und des Sponsorings und die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen und anderen kulturellen Aktivitäten zu ergänzen.

Durch diese Vorgangsweise wird der Urteilsbildung in ästhetischen Fragen eine möglichst breite Basis zugrunde gelegt bzw. wird die Urteilsbildung demokratisiert. Die Befürchtung, dass eine Begünstigung des privaten Engagements in Fragen der Kultur eine Einengung oder einseitige „Popularisierung“ der kulturellen Artefakte zur Folge haben würde, ist, wie die Praxis anderer Länder zeigt, nicht stichhaltig.