Zum Life Ball-Plakat 2014

Es ist nicht die Aufgabe einer Regierung, z.B. der Wiener Landesregierung, in Fragen von Kunst und Kultur eine Zensur auszuüben, es ist aber auch nicht ihre Aufgabe, mittels der Kulturförderung eine ideologische Erziehung und Zurichtung der Bürger zu bewirken, zumal diese Erziehung von den Bürgern jeweils selbst zu bezahlen ist und nicht abgewehrt werden kann.

Aus liberaler Sicht steht allein schon die Existenz einer Kulturpolitik und eines Kulturressorts in Bundes- und Landesregierungen ungeachtet der jeweiligen politischen Ausrichtung unter Ideologieverdacht und muß als unzulässiger Übergriff des Staates auf private Bereiche und Entscheidungen der Bürger angesehen werden.

In diesem Sinne wäre die Affichierung des Life-Ball-Plakats 2014, das einen unbekleideten Transsexuellen mit Brüsten und Penis zeigt, keine Frage, die von der Politik, sondern allenfalls von Professoren der Ästhetik oder der Psychopathologie, von religiösen Würdenträgern oder von jenen Bürgern zu erörtern wäre, die sich durch die Abbildung in ihren Schamgefühlen verletzt fühlen.

Eine politische Frage wird die Abbildung erst durch ihre Finanzierung durch die Gemeinde Wien, den ORF und die Wirtschaftskammer Österreich, also durch Institutionen, die mit Steuern und Zwangsbeiträgen finanziert werden. Indem eine Regierung, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und eine Organisation mit Pflichtmitgliedschaft den Life Ball und die auf dem Plakat transportierte Ideologie unterstützen, drücken sie ihre Werthaltungen und ihr Einverständnis mit politischen Zielen aus, die mit den Schlagworten Gender Mainstreaming, Neuinterpretation der Begriffe von Familie, Geschlecht, Identität oder menschlicher Natur, Aufgeschlossenheit gegenüber therapeutischen und pädagogischen Bestrebungen sämtlicher Regierungs- und Verwaltungsebenen und deren Umsetzung an den Bürgern im Rahmen von Top-Down-Strategien, umschrieben werden.

Obszön ist daher aus liberaler Sicht nicht die Abbildung eines hermaphroditisch aussehenden Transsexuellen oder das Streben von Minderheiten nach einem geglückten Leben, obszön ist vielmehr das mit diesem Sujet illustrierte Social Engineering und die Funktion des Plakats als Teil einer Versuchsanordnung. In dieser findet sich der Betrachter in der Rolle eines Versuchstiers, an dem die Wirksamkeit des sozialpädagogischen Großversuchs untersucht wird. Getestet werden die jeweiligen Grade von Reaktanz, Toleranz, Akzeptanz bis hin zur Indolenz, sowie jene Dosen und Darreichungsformen, die die hegemoniale Ideologie mit größtmöglicher Effektivität im Bewußtsein verankern.

Eine Politik, die auf diese Weise das Privatleben und das Bewußtsein der Bürger zu durch-dringen sucht, muß totalitär genannt werden und ist aufs Schärfste abzulehnen.


Mag. Ingeborg Knaipp
Kultursprecherin